Consulting für Digitalisierung neu definiert

Lothar Leger, Geschäftsführer bei der B&L Management Consulting GmbH
Veröffentlicht in: DiALOG - DAS MAGAZIN FÜR DEN DIGITALEN WANDEL | 2021

Vor 10 Jahren galt der Satz „Beratung ist People-Business“. Es kam zu großen Teil auf das Auftreten und die Persönlichkeit der Beraterin / des Beraters an. Die Chemie zwischen Auftraggeber:innen und Verantwortlichen auf Seiten der Auftragnehmerin / des Auftragnehmers  musste einfach stimmen. Selbstverständlich musste sie / er auch über die notwendige Erfahrung und gute Fachkompetenz verfügen. Man versuchte zwar bei Lösungen möglichst weit auf Standardanwendungen aufzusetzen, am Ende wurde aber doch ganz viel individuell angepasst. Schließlich galt der Satz, dass sich die IT-Unterstützung an die individuellen Prozesse anzupassen hatte und nicht umgekehrt.

Seitdem hat die Digitalisierung der Prozesse in Firmen und Organisation deutlich an Fahrt aufgenommen. Viele Prozesse werden und wurden digital abgebildet. Die aktuelle Lage, verursacht durch die Pandemie, hat dem noch einmal einen zusätzlichen, kräftigen Schub gegeben.

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Daraus ergeben sich einige spannende Fragen. Wird sich die zunehmende Digitalisierung auf die Ausgestaltung und Umsetzung von Beratungsmandaten auswirken? Werden wir in 10 Jahren nur noch Apps und Avatare einschalten, wenn wir neue Themen angehen? Oder wird weiter die jeweilige Person in der Beratung eine wichtige Rolle spielen? Wird es vielleicht gar keine individuellen Lösungen mehr geben, weil wir alle auf die gleichen IT-Lösungen in der Cloud zugreifen?

Das 10.  Jubiläum des DiALOG-Magazins bietet den Anlass, einmal über diese und ähnliche Fragestellungen in Bezug auf Consulting nachzudenken und einen Ausblick zu wagen. In den nachfolgenden Ausführungen werden einige aktuelle Trends reflektiert, um daraus einen vorsichtigen Blick auf den Beratungsmarkt der Zukunft abzuleiten.

„Ab in die Cloud“

Die CIOs und IT-Verantwortlichen stehen seit längerem schon unter Druck. Das ist unbestritten. Sie sollen den immer schneller voranschreitenden Wandel in der IT und in den Unternehmensprozessen begleiten und dabei möglichst auch noch die Kosten senken. Gleichzeitig hinkt der Wandel der internen Strukturen oft hinterher, weil man sich zu sehr an liebgewonnenen und eingefahrenen Prozessen festhält. Getreu nach dem Motto: Wandel sehr gerne, aber erst einmal bei den anderen. Es verwundert deshalb nicht, dass der längst begonnene Prozess, die IT und die IT-Anwendungen in die Cloud zu verlagern, deshalb in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird. Schließlich bietet er die Möglichkeit, auf Services und Lösungen bedarfsgerecht zuzugreifen, ohne ständig große Anstrengungen in individuelle Lösungen zu stecken. Die Scheu, dass hier der Datenschutz nicht gewährleistet werden kann und dass man ja dann nicht mehr Herr seiner Daten ist, schwindet zunehmend. Laut Erhebungen von Statista  hat sich der Umsatz mit Cloud Computing zwischen 2011 und 2021 ungefähr versechsfacht. Gewinnen werden Ansätze, die sich als SaaS (Software as a Service), IaaS (Infrastructure as a Service) oder PaaS (Platform as a Service) in der Cloud betreiben lassen.


Vor 10 Jahren galt der Satz „Beratung ist People-Business“.


„Es ist nicht alles Scrum, was glänzt“
Gablers Wirtschaftslexikon beschreibt Agilität als „Gewandtheit, Wendigkeit oder Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen und Prozessen.“ Die Beweglichkeit, insbesondere in der Entwicklung und Anpassung von Software wird weiter zunehmen. Allerdings wird sich zeigen müssen, wie diese Agilität mit dem Umstand fertig wird, dass Menschen Strukturen benötigen, um Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Wie passen ein durchstrukturierter Aktenplan oder ein ausgefeiltes Organigramm zusammen mit dem geforderten stetigen Wandel? Wie sieht die Lernkurve und damit die Effizienz im Betrieb aus, wenn sich täglich die Abläufe und Verfahren ändern? Vielleicht ist das etwas übertrieben, aber die sehr agilen Regeln in der Pandemie und die Reaktionen der Menschen zeigen, was passiert, wenn der Wandel zu stetig ist: keine(r) weiß mehr, was richtig oder falsch ist und jede(r) macht das, was er/sie für richtig hält.
Für IT- und Organisationsprojekte wird das eine große Herausforderung. Agilität ist wichtig, aber bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und nur noch scrum denken. Das heißt nämlich übersetzt „Gedränge“.

„Skills vor Persönlichkeit“
Wie anfangs erwähnt, war Beratung – neudeutsch auch „Consulting“ – stets etwas mit starkem Personenbezug. Einfach eine Vertrauensfrage. Einfach etwas ganz auf die individuelle Situation Zugeschnittenes. Deshalb war es auch für beide Seiten wichtig, diese persönliche Beziehung aufbauen zu können. Allerdings war auch schon vor 10 Jahren eine Bewegung zu erkennen, Consultingleistungen über einen Katalog einzukaufen. Gerade größere Unternehmen schlossen mit wenigen großen Partnern Verträge, in denen nach Skills eingekauft werden konnte. Das sollte für beide Seiten Chancen eröffnen. Der Käufer konnte zu sehr guten Konditionen die Skills einkaufen, die gerade und aktuell benötigt wurden. Die Anbieterin / der Anbieter konnte über Skaleneffekte und auch über die Einbindung von günstigen Kräften aus dem Ausland seine Margen verbessern. Unterschätzt wurde allerdings, dass intern beim Auftraggeber:in deutlich mehr Controlling notwendig wurde, weil einfach in vielen Fällen die persönliche Komponente und damit das Engagement und die Verbindlichkeit fehlten. Auch wenn diese Konstellationen nicht immer erfolgreich waren, so markieren sie doch einen Trend, der weiter anhalten wird: Die persönliche Beziehung wird in punkto Auswahl von Consultants immer mehr in den Hintergrund treten. Die Skill-Karte zieht.

„Next Level“
Die angeführten Entwicklungen können nur einen kleinen Ausschnitt wiedergeben und repräsentieren lange nicht alle Facetten. Sie mögen aber erste Eindrücke geben, wie es um Consulting in 10 Jahren stehen wird.
Wie schnell sich alles verändern kann und wie pragmatisch manches plötzlich funktioniert, was vorher undenkbar war, hat uns die aktuelle Pandemie gezeigt. Waren wir noch in 2019 überwiegend vor Ort bei unseren Auftraggebern, so sind wir jetzt fast ausschließlich online mit den Teams beim Kunden verbunden. Über Web-Konferenzen fällt es aber schwerer, eine Kundenbeziehung aufzubauen. Fehlt der direkte persönliche Kontakt, fällt es auch schwerer die für viele Projektsituationen notwendige persönliche Bindung aufzubauen. Man wird eher austauschbar.
Verschiedene Entwicklungen sind denkbar. Zum einen kann man Consultants als Ergänzung des internen Teams einsetzen: auf Zeit, als „externe Interne“, integriert in die eigene Organisation. Zum anderen kann man Consultants zum Wissensaufbau und –transfer sowie für spezielle Fragestellungen kurzzeitig einbinden (Consulting on Demand). Auf jeden Fall wird alles viel stärker als heute über Online-Konferenzen laufen. Checklisten und Mindmaps gewinnen an Bedeutung. Vielleicht entwickelt sich sogar ein Multiklienten-Consulting (Share a Consultant). In allen Fällen werden in erster Linie Skills über Plattformen oder über Rahmenverträge eingekauft. Man kreuzt einfach im Internet an, was man braucht und zahlt nach Bedarf. Die Persönlichkeit des Consultants wird immer seltener im Vordergrund stehen.

Die zunehmende Digitalisierung forciert und ermöglicht andere Beratungsformen. Beratungshäuser wie B&L sind deshalb gut beraten, über neue Ansätze nachzudenken.
Wie auch immer. Wir bei B&L haben es uns zum Prinzip gemacht, Veränderungen stets als Chance zu sehen. Insofern sehen wir dem „Next Level“ gelassen entgegen. Wie gehen Sie damit um?

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Dipl. Wirtsch.-Ing. Lothar Leger ist  Geschäftsführer B&L Management Consulting GmbH. Die B&L Management Consulting GmbH versteht sich als Architekt für ECM und DMS und als Wegbereiter des digitalen Wandels. Das Unternehmen feiert in 2021 sein 25-jähirges Bestehen und zählt zu den führenden anbieter- und produktneutralen DMS/ECM-Beratungshäusern in Deutschland. B&L begleitet Unternehmen von der Digitalisierungsstrategie, über die Analyse und Fach-konzeption, die Anbieterauswahl und Systemeinführung bis zur Übergabe an den Betrieb.Zu den Beratungsschwerpunkten gehören zukunftsorientierte Themen wie Digitalisierung von Prozessen, Aufbau von ECM- und DMS-Lösungen, Automatisierung von Rechnungs-prozessen und der Aufbau von elektronischen Akten. Dabei liegt der Fokus auf der prozessorientierten Integration der organisatorischen und technischen Aspekte der Lösungs-ansätze.
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